Sammlungen
Mit dem Naturalienkabinett Waldenburg ist ein Museum des 19. Jahrhunderts bewahrt, das wegen der Einheit von erhaltener baulicher Hülle, den originalen Vitrinen und dem hauptsächlich vom 17. bis 19. Jahrhundert zusammengetragenen Sammlungsgut ein bedeutendes und einzigartiges Zeugnis der Wissenschafts- und Museumsgeschichte darstellt. Das Kabinett beeindruckt vor allem durch eine überbordende Fülle an Objekten und ein Raumerlebnis durch eine rhythmische Aufstellung der historischen Präsentationsmöbel. Tatsächlich sind hier jedoch verschiedene Sammlungsensembles zusammengeführt.
Fürst Otto Victor I. von Schönburg-Waldenburg gründete das Kabinett um 1840. Die ersten dokumentierten Sammlungsankäufe für ein „fürstliches Cabinet“ erfolgten ab 1838/39, die umfangreichsten Anschaffungen wurden jedoch 1840 getätigt. In diesem Gründungsstadium ist kein Sammlungsprofil bzw. eine thematische Spezialisierung erkennbar. Statt dessen wurden komplette Privatsammlungen erworben, die möglichst viele Bereiche der (Natur)Wissenschaften abdeckten. Unter diesen Sammlungen befindet sich die Linck-Sammlung als nahezu einzigartige Naturalien- und Kunstkollektion des 17./18. Jahrhunderts bürgerlichen Ursprungs. Nach und nach wurden weitere Sammlungen und herausragende Einzelexponate angekauft, namentlich Herbarien, Mineralien und ornithologische Sammlungen.
Heute wird nur noch die Stadt- und Fürstengeschichtliche Sammlung erweitert, während die anderen Sammlungen als in sich abgeschlossen gelten.
Barocke Linck-Sammlung
Die Linck-Sammlung war ein Generationenprojekt der Besitzer der Leipziger Apotheke "Zum Goldenen Löwen". Seit 1670 besaß der aus Breslau stammende Begründer Heinrich Linck hier sein Wohn- und Geschäftshaus. Mit seiner Sammeltätigkeit hatte er bald den Grundstein für ein Abbild der Welt im Kleinen geschaffen: Menschliche Spitzenerzeugnisse wie Instrumente, Keramiken und medizinische Produkte wie Apothekersubstanzen trafen hier auf Pflanzen- und Tierpräparate sowie Gesteinsproben. Das Sammeln von Kunstgegenständen und von Menschen gemachten Objekten (Artefakten) interessierte die Apothekerfamilie Linck aus verschiedenen Gründen: Einerseits waren es die Herstellungs- und Materialtechnologien, andererseits das Interesse an fremden Ländern, der Frühgeschichte und Antike oder dem Unterhaltsamen im bürgerlichen Salon. Daher ist die Sammlung der Lincks keine typische Pretiosensammlung, wie viele zeitgleiche fürstliche Kollektionen, weist aber zahleiche Bezüge etwa zur barocken Wunderkammer des Dresdner Hofes auf.
Das "musaeum Linckianum" wurde von Johann Heinrich Linck d. Ä. und seinem Sohn Johann Heinrich Linck d.J. fortgeführt und genoss im 18. Jahrhundert höchstes Ansehen und war Knotenpunkt eines internationalen wissenschaftlichen Korrespondenznetzwerkes. Nach dem Tod Johann Heinrich Lincks d. J. im Jahr 1807 in Leipzig bestand die Sammlung zwar weiter, wurde aber bis zum Verkauf nach Waldenburg im Jahr 1840 nicht mehr gepflegt.
Naturkundliche Sammlungen
Die naturkundlichen Sammlungen des Museum - Naturalienkabinett Waldenburg beinhalten ein außergewöhnliches, naturkundlich heterogenes Sammlungskonvolut.
Den Anfang machte 1839 eine kleine Mineraliensammlung von Carl Ferdinand Reichel. Es folgte eine Gliedertiersammlung von Karl Gerhardt, eine umfängliche Vogelsammlung von Carl Ferdinand Oberländer sowie die zahlreichen naturkundlichen Objekte aus der Linckschen Wunderkammer, welche das Naturalienkabinett bis heute charakterisieren: Die älteste Spiritussammlung der Welt mit Amphibien, Reptilien, Fische sowie eine große Conchyliensammlung mit einzigartigen Objekten entführen in ferne Welten. Eine umfassende Mineraliensammlung und eine außerordentliche Fossiliensammlung zeigen im Geiste ihrer Zeit den Beginn der Paläontologie und der Geologie. Aber nicht nur das: Stopfpräparate erzählen Präparationsgeschichte(n), physikalisch/ mathematische Apparaturen zeugen von den Anfängen der modernen Naturwissenschaften. In den folgenden Jahren wurde dieses Konvolut durch den Ankauf kleinerer und größerer Kollektionen erweitert. Apotheker Reichel übergab dem Fürsten ein 7843 Papierbögen umfassendes Herbar. Melchior Pässler lieferte ebenso wie in Südaustralien tätige Missionare einige Vögel. Der Fürst selbst brachte von seinen Reisen in die Kolonien Afrikas zahlreiche Trophäen und Andenken mit. Die Sammlungen sind gezeichnet von großen Namen wie Erna Mohr, Eduard Friedrich Pöppig, Johann Heinrich Mylius, Peter Simon Pallas und Maria Sybilla Merian- um nur einige zu nennen.
Nicht zuletzt war Waldenburg auch immer Anlaufpunkt für Ungewöhnliches und Außergewöhnliches. So fanden einige Kälber mit Doppelfehlbildungen bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Weg in das Museum.
Stadt- und Fürstengeschichtliche Sammlung
Die heutige Sammlung zur Geschichte der Stadt Waldenburg und ihrer Zeit als fürstliche Residenz derer von Schönburg-Waldenburg geht auf Sammlungsbemühungen des. 19. Jahrhunderts zurück. In dieser Zeit trug der Gewerbe- und Altertumsverein Objekte des lokalen und regionalen Gewerbes, der Archäologie und sakralen Kunst zusammen. 1934 erhielt die bis dahin reich gewachsene Sammlung des Vereins Unterstützung von Fürst Günther von Schönburg-Waldenburg, der ihr einen Platz im Untergeschoss des Museums im Bereich der ehemaligen Wagenremise gab. Unter dem in Berlin geoborenen Kunsthistoriker Dr. Kurt Degen (1904-1993) wurde diese Sammlung erstmals wissenschaftlich bearbeitet. Mit der Übernahme der Sammlung durch die Stadt Waldenburg wuchsen die Bestände weiter, allen voran um grafische Konvolute und Gemälde, Objekte der Alltagskultur sowie Zeugnisse des historischen und zeitgenössischen Töpferhandwerks. Heute gehören repräsentative Stücke der Töpfergeschichte, volkskundliche Sammlungskonvolute wie bemalte Möbel und Textilien sowie Objekte der Zinngießerfamilie Klemm zu den Perlen dieser Sammlung.
Nachlass des Kunstegwerbelehrers Moritz Meurer (1839-1916)
Der gebürtige Waldenburger Moritz Meurer (1839-1916) gilt als Protagonist einer kunstgewerblichen Reformbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in dem er das Naturstudium in den Angewandten Künsten und im Design förderte und in den einschlägigen Kunstgewerbeschulen des Deutschen Kaiserreiches implementierte. Sein grafischer und malerischer Nachlass mit ca. 6.800 Verzeichnungseinheiten ging 1942 nach testamentarischer Verfügung durch Meurers Witwe, die Italienerin Giselda Mona Meurer (1872-1942), in das Eigentum der Stadt Waldenburg.
Meurer lernte bei den bedeutenden Künstlern Ferdinand Ludwig Schnorr von Carolsfeld (1788-1853) und Ludwig Richter (1803-1884) in Dresden. Nach einer Ausbildung zum Dekorationsmaler in Berlin zog es Meurer 1884 dauerhaft nach Italien, wo er seine zentralen und revolutionären Lehrimpulse entwickelte. Anstelle des von ihm als zu schematisch und theoretisch kritisierten Unterrichts anhand historischer Vorlagen forderte Meurer die künstlerisch-gestaltende Erziehung durch die Natur selbst. Zu diesem Zweck konzipierte Meurer eine neue Unterrichtsmethode und liess von seinem Schüler, dem Kunstgießer und Modelleur Karl Blossfeld (1864-1932), Pflanzenmodelle und Fotografien von stark vergrößerten Pflanzenformen herstellen. Meurers zeitgenössischer Ruhm wuchs: Peter Berehns (1868-1940), Direktor der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule und herausragender Architekt sowie Designer, schickte sein Lehrpersonal zur Unterweisung zu Meurer nach Rom. Erst mit der Gründung des Deutschen Werkbundes 1907 und einer neuen Auffassung von einer „Form ohne Ornament“ begann Meurers Bedeutung für das Kunstgewerbe zu sinken.
Derzeit wird an der Restaurierung und Erschließung des nur kursorisch erfassten, außergewöhnlichen Bestandes intensiv gearbeitet. Anfragen zu konkreten Stücken richten Sie bitte an die Museumsleiterin Fanny Stoye per e-Mail: f.stoye@waldenburg.de.
Stadtarchivische Sammlungen
Das Museum - Naturalienkabinett verwahrt in seinen Räumen äußerst wertvolles historisches Schriftgut und eine umfassende fotografische Sammlung. Zu den Schriftstücken zählen neben Chroniken Waldenburgs auch Archivgut aus der Schönburgischen und Waldenburger Kommunaverwaltung, von diversen Vereinen und Verbänden, Tagebücher des produzierenden Gewerbes sowie Chroniken der lokalen Kirchgemeinden. Im Jahr 2017 wurde zu diesem Bestand ein Findbuch durch den Regionalforscher Michael Etzold erstellt, das hier abrufbar ist.
Die fotografische Sammlung ist derzeit nur in Ansätzen erschlossen und - soweit digitalisiert - in unserer "Wunderkammer Digital" recherchierbar.